Besuche bei Artur Beul

Arturs Tür war selten verschlossen; man klingelte kurz und trat ein.
Meistens sass er in seinem Sessel oder lag auf dem Sofa, schrieb an einem Gedicht oder schaute fern. «Deal or no Deal» mochte er besonders; wenn das lief, besuchte man den Meister besser nicht. Aber wie gesagt, meistens sass er in seinem Sessel und freute sich über den Besuch, der eine willkommene Ablenkung in seinem Alltag war. Früher stand er manchmal auch in der Küche und bereitete das Nachtessen vor; eine Suppe etwa oder Gemüse.

Gerne erzählte er immer wieder von vergangenen Zeiten, von Menschen, denen er im Laufe seines langen Lebens begegnet war. Er konnte kaum verstehen, dass Namen von berühmten Menschen – Sänger, Filmschauspieler, Komponisten – in Vergessenheit geraten waren. Mit den neuen Namen, die an deren Stelle getreten waren, konnte er sich oft nur schwer anfreunden; die moderne Musik war nicht sein Ding … Manchmal bat er um eine kleine Handreichung; den Gaszähler im Keller ablesen, eine Schachtel hervorholen oder versorgen oder eine Glühbirne auswechseln.

Manchmal, wenn ich an seinem Haus vorbeifahre, denke ich, es wäre schön, noch einmal einzutreten und «Sali Turi» sagen zu können.

Ausstellungskatalog über die Künstlerfamilie Beul

Zur Ausstellung über die Künstlerfamilie Beul ist ein wunderbarer
Ausstellungskatalog inklusive einem Textbeitrag von Adrian Michael erschienen.

Sie können dieses Heft zu CHF 10.– pro Exemplar hier bestellen.
Ich kann es nur wärmstens empfehlen. Ein Muss für jeden Kunst- und Beul-Liebhaber.

 
 

Unbekanntes von Artur I

«De goldig Wage», «Lass bim Abschied mir dis Herz als Pfand», «Wir spielen Harmonika», «Das sind Lieder»: Kennen Sie diese Titel von Artur Beul? Nein?
Das war zu vermuten, gehören diese Lieder doch zu seinen vielen hundert, die in Vergessenheit geraten sind.

Die hier genannten wurden in den 1940er-Jahren vom Gesangsduo Vreneli Pfyl-Martheli Mumenthaler aufgenommen. Allein von Pfyl/Mumenthaler haben sich 66 Aufnahmen erhalten, vom Geschwistern Schmid sind es 57; dazu kommen zahlreiche weitere von Interpreten wie Lys Assia, Vico Torriani und andere.

Abgesehen von den grossen Hits sind sie alle in Vergessenheit geraten. Zu Unrecht, wie mir scheint. Hier ein Versuch, ein paar von den vergessenen Liedern aus ihrem Dornröschenschlaf aufzuwecken – ich wünsche Ihnen trotz mangelhafter Tonqualität viel Vergnügen beim Zuhören! Informationen zum Gesangsduo Mumenthaler/Pfyl finden Sie hier.

Vergessene Aufnahmen vom Trio Schmid folgen.

Wir spielen Harmonika

Das sind Lieder

De goldig Wage

Lass bim Abschied mir dis Herz als Pfand

Artur und der Wilde Westen

Als in der zweiten Hälfte der 1940er Jahre Cowboysong in Mode waren, schrieb Artur Beul rund zwanzig Lieder für das «Texas-Duo» aus Zürich, das zwischen 1946 und 1951 rund fünfzig Songs auf Schellackplatten aufnahm. Das «Texas-Duo» bestand aus dem Musiker-Ehepaar Yvonne (Irma) Furrer (geb. 1921 in Horgen) und Paul Furrer (1920 – 1984). Einen ausführlichen Artikel über das Texas-Duo finden Sie hier: Texas-Duo (Quelle: Schweizerische Musiker Revue, Januar 1995) oder im Wikipedia-Artikel.

Artur schrieb Lieder wie Am Rio Grande liegt El Paso, Marie, die Rose der Prärie oder Ein Cowboy aus Texas. Da finden sich mitunter gewagte Reime wie ‚Chunnsch mit mir nach Texas, säg mis Schätzli wetsch das’ oder ‚Das ist die Kleine aus der Texasbar, sie küsste herrlich und wunderbar’. Artur hat den Cowboy-Sound mit eingängigen Melodien, Akkordeon und Fiedel geschickt eingefangen, und oft hört man im Rhythmus der Melodie die Pferdchen durch die Prärie traben.

Die blauen Berge von Gina Valley ist das bekannteste aus dieser Serie, für die sich Beul später allerdings etwas schämte und verlegen abwinkte; der Jodlerkönig Peter Hinnen sang den Titel jedoch mit grossem Erfolg. Im Lied Unter der Brücke von San Luis ist Beul überdies auch Sänger zu hören: Weil der Hauptsänger erkrankt war, sprang Beul ein und sang, etwas zurückhaltend, die zweite Stimme. In der Folge erschienen unter dem Namen «Arizona-Duo» mehrere Aufnahmen mit Yvonne Furrer und Artur Beul, sie waren jedoch keine grossen Erfolge. Die Zusammenarbeit mit dem Texas-Duo schlief um 1948 ein, als die Furrers begannen, ihre Lieder selber zu schreiben.

Vermutlich nahm Artur beim Komponieren jeweils einen Atlas hervor und suchte im Süden des amerikanischen Kontinentes nach fremdartig klingenden Namen, die er verwenden konnte: Texas, El Paso, Rio Grande, San Louis, Miami – auch wenn letzteres mit dem wilden Westen nicht mehr viel zu tun hat…
Wie auch immer, die Lieder haben einen eigenen Charme und gehören zu Arturs Werken wie andere, bekanntere Lieder auch. Hören Sie doch mal hinein.

Als letztes Beispiel hören Sie eine Komposition von Paul Furrer. Man hört, wer sein Lehrmeister war….

Chumm mit mir nach Texas

Am Rio Grande liegt El Paso

Unter der Brücke von San Louis (Artur Beul singt hier die 2. Stimme!)

Die blauen Berge von Gina Valley

Wenn der Mond scheint auf Miami

Tessiner Zigerlied

Einige von Artur Liedern sind in andere Sprachen übersetzt worden; vor allem von «Nach dem Räge schint Sunne» gibt es Versionen in mehreren Sprachen.

Unter den übersetzten Liedern sticht eine besonders hervor: Eine italienische gesungene Version des «Glarner Zigerlieds». Ich fand sie vor einigen Jahren auf einem der unzähligen Kassettchen, die ziemlich ungeordnet in mehreren Schachteln auf Arturs Kaminsims herumlagen.

Wann und zu welcher Gelegenheit das Lied aufgenommen wurde, ist nicht bekannt; auch Angaben über den Übersetzer und den Pianisten fehlten. Dem Kassettchen nach zu urteilen mag es durchaus vor dreissig Jahren oder noch mehr gewesen sein. Nur «Kinderchor Viganello» stand auf dem Kassettchen; ein Kinderchor also aus einem Quartier Luganos.

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