Aus der Schweizer Musiker-Revue (Mai 1988)

Textautor von Radiohörspielen, Schulfunksendungen, Cabarettexten, Radiooperettenlibrettist: Regenpfeifer sing Dein Lied (Musik: Artur Beul) Mitautor des Musicals: Der schwarze Hecht (Feuerwerk) mit Musik von Paul Burkhard. Librettist des Musicals: Nach em Räge schint d’Sunne – (Musik: Artur Beul)

Mit dem am 23. März verstorbenen Jürg Amstein verband Artur Beul, Komponist des Ländlermusicals «Nach em Räge schint d’Sunne», eine jahrelange Freundschaft. Im folgenden, sehr persönlich abgefassten Nekrolog bringt Beul seine Betroffenheit über den Tod des Freundes zum Ausdruck.

Als ich vor ungefähr 35 Jahren den jungen, schlanken Jürg Amstein kennenlernte, war er bereits ein bekannter Autor beim Cabaret und beim Radio. Mit Paul Burkhard zusammen, konnte er einen grossen Erfolg verbuchen mit dem musikalischen Lustspiel: Der schwarze Hecht.

Jürg Amstein wurde in Zürich als Georg Schmidt geboren und wuchs dort auf im Kreise lieber Eltern mit zwei Brüdern, Kuno und Adolph Für sein literarisches Schaffen fand er den Familiennamen seiner Mutter besser und so nannte er sich fortan Jürg Amstein.
Er wohnte bis nach dem Tode seiner Eltern in ihrem Haus an der Weststrasse. Seine bei den Brüder verliessen das Elternhaus bereits früher. Jürg, das Nesthöckerchen, war der Intellektuelle in der Familie. Er studierte Primarlehrer, ein Beruf, welchen er zeit seines Lebens ausübte, ihn aber immer als Brotberuf betrachtete, weil er von seiner Schreibkunst allein nicht leben konnte. So waltete er also viele Jahre als Lehrer in Oerlikon und Affoltern. Erst nach seiner späteren Pensionierung konnte er sich ganz dem Schreiben widmen.
Nach dem Tode seiner geliebten Eltern verkaufte Jürg das Elternhaus zusammen mit den beiden Brüdern und erwarb dafür an der Gladbachstrasse am obern Zürich berg ein Mehrfamilienhaus, in dem er bis zu seinem Tode lebte und arbeitete.

Eine alte Freundschaft verband ihn mit dem Turnlehrer, der im gleichen Schulhaus wie er, die Kinder unterrichtete. Beide Lehrer, Jürg und Carlo wohnten später in dem schönen Haus an der Gladbachstrasse, mit der weiten Sicht auf die Stadt und den See. Jürg konnte sich nun in aller Ruhe seiner literarischen Tätigkeit widmen, während Carlo vor allem die vielen grossen und kleinen Alltäglichkeiten besorgte. Er war eben nicht nur ein guter Turnlehrer, sondern auch ein vorzüglicher Koch, Gärtner und Chauffeur.
Jürg Amstein schrieb im Laufe der Jahre viele Texte für unsere bekannten Cabarettisten, unter anderem auch einige für die beiden Grossen, Voli Geiler und Walter Morath. Zu einer dieser beliebten Nummern, eine Persiflage auf das oft kitschige Volkslied, durfte ich die Musik schreiben.

Eine enge Freundschaft verband den Jürg mit unserem Paul Burkard, der damals noch hinter dem Schauspielhaus Zürich wohnte. Bei einem Nachmittagskaffee bei Pauli, lernte ich auch eines Tages den Jürg Amstein kennen. Schon kurze Zeit darnach kreierten wir bereits unsere erste, gemeinsame Arbeit, eine Radio-Operette, nach meinem damals bekannten Lied «Regenpfeifer sing Dein Lied».

Jürg Amstein war ein überaus fleissiger, sorgfältiger Texteschreiber. Er feilte ständig an seinen bereits schon fertigen Arbeiten herum, weil er sie noch nicht gut genug fand. Und er erfand stets neue, noch bessere Reime… Er schrieb auch den lustigen Text zu meinem Lied «Der himmelblaue Züritrolleybus». Der Schluss des Liedtextes lässt einen nostalgisch an eine vergangene, ferne Zeit denken, als das Strassenbahnbillett noch 20 Rappen kostete! Und so endete der Text:

«… so bini an es härzigs Fräulein anetütscht, mit Auge himmelblau und glänzig, und alles zäme choschtet nume zwänzig!»

Das bekannte Gesangstrio Geschwister Schmid sang dies Lied später auf Schallplatte.

Vor ungefähr 30 Jahren machten Jürg Amstein und ich uns an die Arbeit und kreierten aus meinem bereits weltweit bekannten Lied «Nach em Räge schint d’Sunne» ein Bühnenstück, eine Operette, wie man dem damals noch sagte. Die Uraufführung fand in Aarburg statt und war ein so grosser Erfolg, dass auch das Stadttheater Basel es anschliessend ins Programm aufnahm. Jürg Amstein hatte den Text zum Stück seit Jahren in der Schublade liegen. Es hiess vorerst «De Güggelirank», die Geschichte von einer gefährlichen Strassenkurve (Rank), wo stets auf mysteriöse Weise die besten und teuersten Hühner einer schlauen Bäuerin von Autos überfahren wurden. Davon lebte sie nicht schlecht, denn die reichen Autofahrer mussten die toten Hühner teuer bezahlen!

In den darauffolgenden Jahren wurde «Nach em Räge schint d’Sunne» oft an bekannten Laienbühnen aufgeführt und gefiel den Leuten, weil die Handlung einfach und lustig ist, die. Musik volksnahe und zum Teil schon bestens bekannt. Dann aber legte sich unser gemeinsames Werk für Jahre schlafen und wir waren nicht wenig erstaunt, als wir aus Regensdorf die Nachricht erhielten, man wolle unser altes Stück wieder auf die Bühne bringen, und zwar auf eine Freilichtbühne in der alten Ruine der Burg bei Regensdorf. Jürg und ich überarbeuteten das etwas verstaubte Stück und nannten es jetzt «Ländlermusical». Franz Lindauer führte dabei Regie, Jean Hofmann hatte die musikalische Leitung übernommen.

Amstein und BeulIm August 1987 durfte ich mich mit Jürg Amstein zusammen bei der Premiere an einem herrlichen Sommerabend auf der Bühne verneigen. Es gab grossen. langen Applaus und gute, freundliche Presse. Dies aber war das letzte Zusammensein mit Jürj. Jeder von uns verneigte sich mit einem bunten Blumenstrauss in der Hand, und wir freuten uns gerührt über den tollen Erfolg, den wir nach 30 Jahren nochmals mit unserm Bühnenstück erleben durften.

Wenn im Herbst dieses Jahres unser «Nach em Räge schint d’Sunne» erneut über die Regensdorfer-Freilichtbühne gehen wird, kann leider der Librettist Jürg Amstein nicht mehr dabei sein. Doch ich werde es spüren, wie er vom Himmel herunterschaut und sich mit mir freut. Mit Jean Hofmann hat Jürg Amstein in letzter Zeit noch «Max und Moritz» von Wilhelm Busch ins Schweizerdeutsche übertragen. Jürg letztes Stück für Kinder wird ebenfalls bei den Sommerfestspielen in Regensdorf uraufgeführt. Nur, … Jürg wird nicht mehr dabei sein können, er wird fehlen!

Als ich 3 Wochen vor Jürgs Tod, mich bei ihm telefonisch verabschiedete, weil meine Frau und ich in unsere Tessinerwohnung reisten, erkundigte ich mich noch, wie es ihm gesundheitlich gehe. Ich wusste ja, dass er schon längere Zeit vom Arzt informiert war über sein überaus schwaches Herz, dem nicht mehr so ganz zu trauen sei. Seine letzten Worte am Telefon klangen nicht hoffnungsvoll:
«Weisst, es ist nicht schön alt zu werden, wenn man noch so viel Arbeit, soviel Ideen und Pläne im Kopf hat, sie aber kaum mehr verwirklichen kann, weil einem die Kraft fehlt. Ich bin stets müde, obwohl ich mich immer am Nachmittag 3 Stunden schlafen lege. Es wird sicher nicht mehr so lange dauern … »

Drei Wochen danach, am 23. März, erhielt ich im sonnigen Tessin die traurige Nachricht von seinem Tode. Seine Familie erfüllte ihm seinen Wunsch, um den er ausdrücklich bat. Er wollte ein ganz stilles Abschiednehmen im Kreise seiner engsten Familie auf dem Friedhof Fluntern. Er wünschte auch, dass in der Todesanzeige der Name Georg Schmidt genannt werde. Seine Erklärung lautet so:

«Der Georg Schmidt stirbt und kehrt zur Erde zurück. Hingegen hoffe ich, dass der Jürg Amstein noch auf der Welt weiterleben möge, in seinen vielen schriftstellerischen Arbeiten, seinen lustigen und nachdenklichen Texten, in die ich meine ganze Seele hineinschrieb».

Sein Wunsch möge in Erfüllung gehen! Ein guter, alter Freund starb mit Jürg Amstein. Ein routinierter Könner seines Faches, der am liebsten hinter der Bühne arbeitete und von dort aus viele Erfolge für andere geschrieben hat. Mit ihm starb auch ein tüchtiger Lehrer, als den ich ihn zwar nicht kannte davon nur gehört habe. Jürg wird mir und vielen Freunden sehr fehlen!

Artur Beul