Bericht von Artur Beul, den er in den 40er Jahren unter dem Psyeudonym Aloisa Kälin schrieb.
Es war nicht etwa in einem alten Bauernhause ausserhalb des Dorfes, wo ich mein Turbenfraueli aufsuchte. Nein, seit der junge Sihlsee mit seinen Fluten die stillen Turbenlöcher ausfüllt, und das ganze Gebiet unter seinen Wellen zudeckt, wohnt die Mariann im Dorf. Ihre alte Heimat, das verwetterte Holzhaus mitten drin im Turbenland, steht nicht mehr, der See hat es verschlungen. Marianns Wohnung auf der Langerüti ist wahrlich auch kein Palast. Und die Aussicht von der Küche ist nicht mehr zu vergleichen mit dem Panorama im Turbenland.
«Die Leute werden immer gescheiter und Alles wird immer dümmer», beginnt sie mit einem schweren Seufzer.
Im Stubeli ist es heimelig warm. Draussen liegt Schnee zum Vergeuden. «Wissen Sie, ich heize halt noch mit Turben, solange ich noch habe. Es geht einfach nichts über gute Turben. Eine solche Wärme … »
Ich unterbreche die 68jährige Frau.
«Turben! Wir Leute aus der Stadt haben eigentlich recht wenig Kenntnis von diesem Heizmaterial.»
«Aber ich‘ erinnere mich noch gut, dass wir auch schon früher Turben nach Zürich schickten!»
«Ja früher, mag schon sein. Aber als dann überall die Zentralheizung eingeführt wurde, verdrängte die Kohle eure Turben.»
«Sagen Sie Ihren Freunden, dass man bei uns noch immer mit Turben heizt, und dass sie ebenso gut brennen und warm geben wie die Kohlen. Ich hab schon vorgesorgt!»
«Hört, Mariann! Ihr müsst mir ein bisschen mehr erzählen über das Turbnen; nicht bloss meine Freunde interessieren sich dafür. Was Ihr mir erzählt, werde ich den Lesern vom Verlag Meyer wieder erzählen, und Ihr könnt es dann natürlich auch lesen, wenn es gedruckt erscheint.»
Da bin ich gespannt! So gebt jetzt recht acht, damit Ihr nichts Falsches aufschreibt!
Jeder Genosse unseres Dorfes besitzt seinen Anteil am Tutbenland. Ob er davori Nutzen zieht oder nicht, das ist seine Sache. Er hat im Fall des Nicht, bezuges 15 Fr. Turbengeld zugut.
Im Frühjahr bis zum August werden die Turben mit dem langen, schmalen Turbenmesser gestochen. Das macht. entweder der Betreffende selber, oder er lässt es von jemanden besorgen. In letzter Zeit hat
man fürs Stechen eines Klafters bis zu 6 Fr. bezahlt.»
Ich musste Frau Mariann bescheiden fragen, wieviel so ein Klafter etwa ist.
«Zwölf Körbe machen ein Klafter. Und zwei Klafter brauchts zu einem Fuder, wie man es hin und wieder ins Dorf fahren sieht. Der gestochene Torf ist aber noch nass und schwer. Man muss ihn trocknen. Da begegnen wir zwei Arten. Böcklen oder kanönlen!»
Um mir ein genaues Bild davon zu geben, holte Mariann extra ein paar Turben vom Schopf herauf. «Nach 3-4 Wochen, je nach dem Wetter, müssen die Turben gekehrt werden, damit die untere Seite
auch trocken, wird.»
Mariann stand auf einmal neben mir, um nach, zusehen, ob ich es auch genau notiere, was sie mir so begeistert erzählte.
«Ja, und dann, wenn die Turben … nein, erst muss ich noch sagen … ja das hätt ich jetzt fast vergessen! Sonst meinten Ihre Leser noch, es gäbe bloss eine Sorte Turben. An vielen Orten sticht man
die schweren oder buechigen, die fast wie Kohle sind. Sie haben einen «morts»-Heizwert. Dann kommt das Gegenteil vor, die leichten oder Foselturben. Die sind gewürzelt und brennen leicht und schnell. Ich für mich brauche diese mit Vorliebe zum Anfeuern im Chüschtli (Herd).
Wenn also die Turben an der Sonne durch und durch trocken sind, kommen sie ins Hüttli, bis sie vom Turbenwagen abgeholt werden. Dort sind sie vor Regen und frühem Schnee sicher. Für mein
Turbenhüttli habe ich damals noch 120 Fr. bezahlt. Allerdings hat es kein Ziegeldach gehabt.
Habt Ihr überhaupt schon einmal so ein Turbenland gesehen mit den vielen kleinen schiefstehenden Hüttchen, von denen viele mit Stangen unterstützt werden müssen, damit sie der Wind nicht zu Boden reisst?»
Ich nickte wortlos zu den Worten der Mariann. Ich bin ja selber in der Nähe eines Torfgebietes aufgewachsen und habe als Bub oft genug im Torfland herumgesprungen. Allerdings haben mich die Berge rings herum, die Lerchen, die irgendwo im blauen Himmel musizierten, die Grillen im Gras, denen ich Nachmittage lang zuhörte, und die Froschtümpel mehr beschäftigt, als die mühsame Arbeit des Turbnens.
«Dann werdet Ihr auch die Schönheit meiner einstigen Heimat Euch vorstellen können. Das Turbenland ist kein totes Land! Was da alles krappelt und zappelt, was da summt und brummt 1 Ja, es ist schon wahr, man erlebte viel Schönes beim Turbnen. Dabei konnte man die strenge Arbeit vergessen, so umgeben von einer herrlichen Natur. Und wie schmeckte dann der Z’vesper!»
Marianns Gesicht strahlte verklärt. Ihre Augen waren wie Spiegel, worin ich alles sah, was sie sagte.
«Und dann im Herbst holte man sich seine klingeldürren Türbchen heim. Brauchte man nicht den gesamten Bestand, so verkaufte man, was man nicht benötigte, Ueber den Winter draussen liegengebliebene
Turben heizten nachher schlecht. Aber man konnte sie dann gut als Torfmull gebrauchen in den Gärten und für Anpflanzungen in Treibbeeten. Wintertrolle nannte man diesen Torf.
Aber jetzt geh ich noch rasch in die Küche und mach einen Schwarzen (Kaffee) auf dem Turbenfeuer. Es ist ja schon wieder ½ 3 Uhr. Wisst, auf die 4 Uhr muss ich dann halt fort, in’s Salve. In meinem
Alter muss man schon ein bisschen ans letzte Stündehen denken. Und wenn man nicht se’lber für einen betet, wird doch niemand an einen mehr denken. So ist’s! Habt Ihr alles recht aufgeschrieben von den Turben?»